In den letzten zwei, drei Wochen konnte ich in drei verschiedenen schönen Naturgebieten einen hübschen und entzückenden kleinen Singvogel eingehender beobachten und möchte ihm deshalb einen ganzen Blogbeitrag widmen: das Schwarzkehlchen. Die Gebiete – einmal war es der südliche Rand der Lüneburger Heide bei Eschede, dann ein kleines Dorf in Frankreich unweit von Vesoul und Besançon in der Saône Ebene und dann praktisch vor meiner Haustüre bei Aesch (BL) – waren einerseits sehr unterschiedlich hatten aber andererseits auch Gemeinsamkeiten, nämlich reichhaltige, abwechslungsreiche Landschaftsstrukturen mit extensiv bewirtschafteten Wiesen, Büschen, Hecken, Waldrändern und Buntbrachen. Letztere sind landwirtschaftliche Flächen (zum Teil Streifen in den sonstigen Flächen), die gezielt für mehrere Jahre nicht oder nur sehr vorsichtig bewirtschaftet und mit nützlichen Pflanzen angesät werden. So eine Brache kann Blumen, Disteln, Gräser oder Wildkräuter beinhalten und dient Insekten, Vögeln und anderen Kleintieren wie Hasen, Füchsen oder Igeln als Nahrung, Unterschlupf und Nistmöglichkeit (bei Vögeln). So eine Buntbrache oder auch eine extensive Wiese mit hohem Bewuchs, einzelnen Büschen, eventuell einer Hecke oder Pfählen und Zäunen rundherum sind neben Heide- und trockenen Moorflächen ideale Lebensräume für das Schwarzkehlchen.
Die kleinen rund 12 cm langen und im Schnitt nur etwa 15 g leichten Vögelchen sind bei uns Kurzstreckenzieher (überwintern in West- und Südeuropa) und im Süden Europas Standvögel. Sie werden wie die Rot-, Braun- und Blaukehlchen in die Familie der Fliegenschnäpper eingereiht. Gezeichnet sind die Männchen sehr auffällig, sodass sie teilweise von freiem Auge oder mit dem Fernglas über eine gute Distanz erkennbar sind. Es hat einen ganz schwarzen Kopf und Kehle und weisse Halsseitenflecken. Der Rücken ist dunkelbraun bis schwärzlich, im Flügel befindet sich ein weisses Feld, die Brust ist orange-rötlich und der Bürzel ist weiss mit einer feinen Strichelung. Die Weibchen sind ähnlich gefärbt, aber ingesamt matter, insbesondere der Kopf und die Kehle sind anstatt schwarz dunkelbraun im Prachtkleid und heller im Schlichtkleid. Die Jungvögel sind rundherum gestrichelt.
Wenn die Schwarzkehlchen bei uns ab Mitte März zurück sind, suchen sie sich eine(n) Partner(in), mit der sie in der Regel die ganze Saison zusammen bleiben. Im Feld in der „Schwarzkehlchenwiese“ sieht man dann oft Männchen und Weibchen unweit voneinander als Paar nach Insekten jagen. Dabei sitzen sie auf hohen Stängeln, Gräsern, Zaunpfählen oder Zäunen und lassen sich immer wieder zu „Boden fallen“ oder machen einen kurzen Jagdflug, um bald darauf wieder auf eine Sitzwarte zurückzukehren. Wenn sie so auf einem hohen sich im Wind wiegenden Gras sitzen, und man schaut mit dem Fernglas nach ihnen, sieht es manchmal aus, als würden sie in der Luft schweben. was einen sehr magischen Eindruck hinterlässt. Das Männchen wechselt am Anfang der Saison von den Stängeln und Halmen immer wieder auf einen Busch oder einen Aussichtspunkt in der Hecke oder auf einen offen stehenden Baum, um seine kurzen, leicht kratzigen und gequetschten Gesangsstrophen hören zu lassen. Später, wenn die Brut schon angefangen hat, nimmt der Gesang ab und es sind häufiger die Warnrufe „huit-tek-tek“ oder „fid-track-track“ zu vernehmen.
Das Nest wird in der dichten Vegetation am Boden oder in geringer Höhe als Napf aus Pflanzenmaterial gebaut und innen ausgekleidet. Das Weibchen legt rund fünf Eier in das Nest und bebrütet es etwa zwei Wochen, wonach die Jungen schlüpfen und nach wieder etwa zwei Wochen flügge sind. Sie werden in dieser Zeit und auch noch einige Tage darüber hinaus intensiv von beiden Eltern mit Nahrung versorgt und ab Mitte bis Ende Mai ist gelegentlich die ganze Familie in einem kleinen Radius zu sehen. Oft folgt nach der ersten Brut noch eine zweite und bei guten Bedingungen ausnahmsweise sogar noch eine dritte. Wenn man das rastlose Aus- und Einfliegen zur Anschaffung von Nahrung für die Kücken beobachtet und sich vorstellt, dass der ganze Ablauf in einer Saison dreimal hintereinander geschafft wird, entsteht bei mir grosser Respekt für diese kleinen Wesen.
Das Schwarzkehlchen ist gemäss dem „European Breeding Bird Atlas 2“ mit fünf Unterarten noch weit verbreitet in Europa und Afrika mit sechs bis zehn Millionen Brutpaaren. Bei uns kommt die Unterart rubicola vor und es waren in den letzten zehn Jahren eher Zunahmen zu verzeichnen und in den Dichteregionen im Süden eher Abnahmen. In Deutschland schätzt der NABU den Bestand mit rund 37’000 bis 66’000 Paaren als zunehmend und nicht gefährdet ein. In der Schweiz schätzt die Schweizerische Vogelwarte den Bestand mit 1’500 bis 2’000 Paaren als potentiell gefährdet ein.
Für mich ist das Schwarzkehlchen ein bezaubernder Vogel, den ich gerne beobachte, weil er in schönen offenen Landschaften so präsent und gleichzeitig bescheiden seinem Vogelalltag nachgeht. Er kennzeichnet mit seiner Anwesenheit intakte Naturräume und pflegt diese, indem er den Insektenbestand reduziert und mit Farbe und Gesang beschenkt. So ist er ein ausgezeichneter Anzeiger für Veränderungen in der Landschaft. Einerseits ist er bei guten Bedingungen häufig und nicht sehr anspruchsvoll, andererseits ist er in ausgeräumten Landschaften direkt komplett verschwunden. So hoffe ich, dass ich und viele andere Menschen sich weiterhin und noch vermehrt an diesen kleinen Zauberwesen erfreuen dürfen.